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KlimaSeniorinnen: das Ministerkomitee akzeptiert ein «implizites» CO2-Budget – doch der Fall bleibt ein bedeutender Fortschritt
Das Ministerkomitee des Europarats hat entschieden, dass die Schweiz eine zentrale Anforderung des Urteils «KlimaSeniorinnen gegen die Schweiz», nämlich ein CO2-Budget zu erstellen, ordnungsgemäss umgesetzt habe. Die Schweizerische Menschenrechtsinstitution (SMRI) sieht diese Entwicklung mit Besorgnis, erinnert aber daran, dass die Konkretisierung der Menschenrechte in neuen Kontexten – wie dem Klimawandel – selten linear verläuft: weitere Urteile werden folgen. Der Fall ist ausserdem noch nicht geschlossen. Das Komitee verlangt nach wie vor Verbesserungen beim Zugang zu Gerichten.

Im Entscheid KlimaSeniorinnen (2024) hat der EGMR entschieden, dass die Schweiz aufgrund der Menschenrechte mehr unternehmen müsse zum Schutz des Klimas. Das Ministerkomitee des Europarates, das die Umsetzung der Urteile durch die Staaten überwacht, hat nun entschieden, dass die Schweiz diesen Verpflichtungen in wesentlichen Aspekten nachkommt.
Ein problematisches Signal für das Klima
Trotz dieser Entscheidung bleibt die SMRI der Ansicht, dass die von der Schweiz vorgenommenen Massnahmen nicht ausreichen, um die Wahrung der Menschenrechte im Kontext der Klimakrise zu garantieren. Unter anderem wird das von der Schweiz vorgelegte Emissionsbudget nicht ausreichen, um das globale 1.5°C-Ziel des Pariser Abkommens einzuhalten. Die Schweiz plant, bis 2050 das Dreifache an Treibhausgasen zu emittieren, als der pro-Kopf Anteil an der Menge, die global noch verbleibt, um das 1.5° C-Ziel einzuhalten. Das implizite CO2-Budget, das die Schweiz dem Ministerkomitee vorgelegt hat, stellt keinerlei Bezüge her zu einem globalen 1.5° C-Ziel oder einer globalen Fairness-Überlegung.
«Das Ministerkomitee hat daher die zentrale Chance vergeben, die im Entscheid KlimaSeniorinnen angelegt war: dass Staaten aufgrund der Menschenrechte dazu verpflichtet werden können, ihren fairen Anteil an der globalen Anstrengung zur Limitierung der Klimaveränderung leisten müssen», sagt Stefan Schlegel, Direktor der SMRI.
Mehr Informationen zur Frage eines fairen CO2-Budgets finden Sie in der Eingabe der SMRI an das Ministerkomitee.
Ein erster Schritt, dem weitere folgen werden
Die SMRI ist sich bewusst, dass die Entwicklung menschenrechtlicher Standards in neuen Bereichen wie dem Klimawandel selten linear verläuft. Sie sind das Ergebnis von Wechselwirkungen zwischen Exekutive, Legislative und Judikative. Trotz des Entscheides des politischen Gremiums (dem Ministerkomitee) wird das juristische Gremium (der Gerichtshof) voraussichtlich am Standard festhalten, den es in KlimaSeniorinnen gesetzt hat.
Die Schweiz könnte in einem analogen Fall also wieder verurteilt werden. Das gilt auch für andere Mitgliedsstaaten des Europarates. Eine Auswirkung von KlimaSeniorinnen ist denn auch, dass der Entscheid viele weitere Akteure dazu ermutigt hat, Klimaklagen vor den EGMR und andere Gerichte zu bringen.
Hinzu kommt, dass der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag diesen Sommer in einem Gutachten die Ansicht unterstützt hat, dass Staaten verpflichtet sind, ihren fairen Anteil an ein 1.5°C-Ziel zu leisten.
«Was der EGMR aus den Menschenrechten abgeleitet hat, das hat der IGH also aus dem Völkerrecht allgemein abgeleitet. Die Schweiz ist trotzdem verpflichtet, ihren fairen Anteil auszurechnen und einzuhalten» sagt Stefan Schlegel.
Wichtig: Zugang zu Gerichten bleibt ein offener Punkt
In einem wichtigen Punkt ist das Ministerkomitee noch nicht zufrieden mit der Schweiz und verlangt konkretere Fortschritte. Das betrifft den Zugang zu einem Gericht für Vereine wie dem Verein KlimaSeniorinnen, die sich für die Rechte von Menschen einsetzen, die besonders vom Klimawandel betroffen sind.
«Die Schweiz muss noch genauer aufzeigen, wie sie diesen Zugang in Zukunft gewähren möchte. Das ist ein wichtiger Punkt, denn wo der Zugang zu Gerichten verbessert werden muss, ist es möglich, dass durch Beschwerden vor Gericht auch der Druck hoch bleibt, Fortschritte im menschenrechtlichen Schutz gegen den Klimawandel zu machen», so Stefan Schlegel.
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